Die Istanbuler Erklärung gegen Islamophobie und islamistischen Radikalismus
Im Istanbuler Stadtteil Maltepe trafen sich am 7. Februar 2015 auf Einladung von Bürgermeister Ali Kilic Kommunalpolitiker aus Deutschland und der Türkei, um einen türkisch-deutschen Dialog der Kommunen einzuleiten, mit dem Ziel, auf aktuelle Herausforderungen neue gemeinsame Antworten zu geben. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen rufen mit dem folgenden Text zunächst zu einer Konferenz im Oktober 2015 auf.
– Wir erkennen, dass die Menschen im 21. Jahrhundert zunehmend mobiler werden und unsere Städte in jeder Hinsicht heterogener geworden sind. Diese Heterogenität als kulturellen Reichtum zu begreifen und dies positiv zu gestalten ist der richtige Weg und eine große Herausforderung für die Staaten und insbesondere für die Kommunen.
– Wir wehren uns gegen jede Diskriminierung und Gewalttat aufgrund Herkunft, Rasse, Geschlecht, Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung, weil wir die Würde jedes einzelnen Menschen schützen wollen und uns auf die universell gültigen Menschenrechtserklärungen von Europa und den Vereinten Nationen beziehen.
– Wir setzen uns für ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben aller Menschen ein und lehnen die Ethnisierung und religiöse Verbrämung sozialer Probleme ab.
– Wir setzen uns für Völkerverständigung, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Kunstfreiheit, Pressefreiheit, Wissenschaftsfreiheit, Glaubensfreiheit ein.
– Wir stellen uns sowohl gegen Islamophobie als auch gegen islamischen Radikalismus.
Wir schlagen insbesondere die Berücksichtigung folgender Punkte vor:
Angesichts der Terroranschläge und der ausgelösten Ängste muss die Zusammenarbeit auf allen Ebenen, insbesondere der kommunalen, verstärkt werden. Furchtbaren Attentate in Paris (Charlie Hebdo und jüdischer Laden) und darauffolgende Reaktionen in der Bevölkerung zeigen, dass wir uns sowohl gegen die Sympathisanten und Unterstützer der Terroranschläge als auch gegen die migrantenfeindlichen Demonstrationen stellen müssen. Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass in fast allen deutschen Städten weit mehr Demonstranten für Toleranz und Weltoffenheit eingetreten sind als für Feindseligkeit gegenüber dem Islam.
Der interreligiöse und interkulturelle Dialog muss auf der Grundlage der universell gültigen Menschenrechte der UNO, mit dem Ziel der Völkerverständigung und eines europäischen Islam, intensiviert werden.
Konkret schlagen wir vor:
– Im Oktober 2015 soll eine Konferenz mit deutschen und türkischen Kommunalpolitikern einberufen werden, die bestehende Städtepartnerschaften pflegt, neue anregt und inhaltliche Impulse erarbeitet.
– Wir fordern Respekt im Umgang mit anderen Religionsgemeinschaften und Glaubensrichtungen, weil anders ein friedliches Zusammenleben in den Städten nicht gewährleistet werden kann.
– Wir schlagen die Gründung Christlich-Islamischer Arbeitsgemeinschaften in den einzelnen Städten vor und verweisen auf das Vorbild Erlangen, das seit fast 20 Jahren besteht und erfolgreich wirkt.
– Wir regen eine Zusammenarbeit aller vor Ort vertretenen Religionsgemeinschaften an, wie sie in vielen deutschen Städten praktiziert wird, u.a. in Hamburg, München und Erlangen.
– Wir begrüßen die Absicht des Istanbuler Stadtteils Maltepe und des Hamburger Bezirks Altona, eine Städtepartnerschaft zu begründen.
– Wir regen die Gründung weiterer Partnerschaftsbeziehungen an.
– Wir bitten die Bundesländer, das Hamburger Beispiel eines gemeinsamen Religionsunterrichts für alle Kinder zu studieren und zu übernehmen.
– Wir danken den Initiatoren von Demonstrationen für Toleranz und Weltoffenheit, die auf eindrucksvolle Weise bewiesen haben, dass auch schreckliche Belastungen nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führen dürfen, sondern solidarisch bewältigt werden müssen.
Folgende Personen haben an der Tagung teilgenommen und bei der Entstehung dieser Erklärung mitgewirkt:
– Christian Ude, Oberbürgermeister von München vom 1993 bis 2014
– Memet Kılıç, MdB a.D.
– Susanne Lender-Cassens, Bürgermeisterin von Erlangen
– Liane Melzer, Bürgermeisterin Altona/Hamburg
– Edith von Welser-Ude, ehemalige Stadträtin von München
– Veli Ağbaba, Abgeordneter der Großen Nationalversammlung der Türkei und Stv. Vorsitzender der CHP (Republikanische Volkspartei)
– Ercan Karakaş, Abgeordneter der Großen Nationalversammlung der Türkei und Stv. Vorsitzender der CHP (Republikanische Volkspartei)
– Celal Dinçer, Abgeordneter der Großen Nationalversammlung der Türkei und Stv. Vorsitzender der CHP (Republikanische Volkspartei)
– İhsan Özkes, Abgeordneter der Großen Nationalversammlung der Türkei und Stv. Vorsitzender der CHP (Republikanische Volkspartei)
– Ali Özcan, Mitglied des Parteirates von CHP
– Atilla Aytaç, Bürgermeister von Adalar/Istanbul
– Mustafa Günalp, Stv. Bürgermeister von Kadiköy/Istanbul
– Hüseyin Hışman, Stv. Bürgermeister von Ataşehir/Istanbul
– Dr. Yunus Emre, Kultur Universität Istanbul
– Prof. Dr. Faruk Şen, Vors. der Deutsch-Türkischen Stiftung für Bildung und wissenschaftliche Forschung (TAVAK)
– Serdar Türker, Bürgermeister Kırklareli/Kaynarca
– Michael Greissel, Vors. des Fördervereins Städtepartnerschaft Erlangen und Beşiktaş e. V.